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2009-03-02

Anschaulicher als Geschichtsunterricht (Sächsische Zeitung - Kamenz)

von Frank Sühnel
Es sind eigentlich zwei Ausstellungen, die seit Sonnabend im Oberlichtenauer Haus der Jugend zu sehen sind: Die der Schau „Die Bibel in den Diktaturen“, die hier ihren mittlerweile 45. Standort hat, und die Ausstellung über die Geschichte des Christlichen Vereins Oberlichtenau, die mit der Eröffnung des Teekellers 1986 ihren Anfang nahm. Besonderer Anziehungspunkt dürfte dabei die 1000-seitige Stasiakte von Vereinsgründer Maik S. Förster sein, drei dicke Aktenordner, die zum Großteil ausgestellt sind. Dieses lokale Phänomen bildet eine gelungene Ergänzung zur Bibelexposition, schlägt die Brücke von den rein geografisch eher ferneren Beispielen des christlichen Handelns in der DDR, die der Zwickauer Arbeitskreis für seine Wanderausstellung ausgewählt hat, hin zu den ganz ähnlichen Geschehnissen vor Ort. In Oberlichtenau. So wird die Schau noch fasslicher, direkter für den Betrachter.

Schicksale im Mittelpunkt

Auf 44 Schautafeln haben die Zwickauer Ausstellungsmacher weniger die Bibel selbst dargestellt, sondern das Schicksal der Menschen, die ihr Wort lebten und leben. In der Nazizeit, als das Wort Gottes massiv missbraucht wurde, bis hin zu dem Ende der DDR und der Verfolgung durch die Staatssicherheit. Es gibt Tafeln, auf denen erläutert wird, wie die Stasi funktionierte, Kommandostrukturen von ganz oben bis hinab zu den lokalen Dienststellen. Das ist deshalb wichtig, weil diese Schau auch in den alten Bundesländern zu sehen war und auch zu sehen sein wird, wo diese Kenntnis nicht vorausgesetzt werden kann. Und weil, wie der Ideengeber der Schau Dr. Edmund Käbisch in seiner Eröffnungsrede sagte, „der Wissensstand bei vielen Jugendlichen zur Geschichte der DDR beschämend ist.“ Was jedoch nicht zwangsläufig an den jungen Menschen selbst liegt.

Anhand von vielen Beispielen, etwa auch Käbischs eigenem, wird die Bespitzelung gezeigt, wie das Umfeld von inoffiziellen Informanten, durchsetzt war. Und vor allem, mit welchen zum Teil subtilen, aber auch brutalen Methoden die Stasi versuchte, ihre Ziele zu erreichen. Was ihr in Käbischs Fall auch gelang, er wurde versetzt und so von seinen Widerstandskreisen getrennt. Bundesweit bekannt wurde sein Schicksal und die Ausstellung durch den noch nicht beendeten Gerichtsprozess um die Nennung von Klarnamen der IMs.

Ganz konkret wird die Wühlarbeit der Stasi eine Etage weiter oben im Jugendhaus deutlich. Dort hat der Christliche Verein seine Geschichte dargestellt. Von den Anfängen 1986 im Teekeller bis ins Heute hinein. Ein ganz besonderer Punkt, auch extra behandelt auf einer Tafel und auf den Maik S. Förster besonders stolz ist, sind die Schmuggelfahrten nach Rumänien. „Wir haben rumänischsprachige Bibeln, Lebensmittel, Spielzeug und Kondome an Bedürftige in diesem Land verteilt“, erzählt er. Die erste Tour noch per Rad, später mit Autos. „Und sie haben uns nie erwischt“, freut er sich noch heute. Wie eine Ameisenstraße habe das funktioniert, viele Helfer haben in Rücksäcken und Taschen ein paar Dinge transportiert.

Das ist auch getreulich dokumentiert in seiner Stasiakte. Und sie wirkt auch hier bis in die Gegenwart. So hat Förster etwa einen Mitarbeiter der Superintendentur als IM erkannt. „Doch von Seiten der Kirche besteht keine Bereitschaft, dieses Kapitel aufzuarbeiten. Das ist unglaublich.“

Die Schau ist noch bis zum 26. März zu sehen.