Aktuelles

2003-11-03

Sächsische Zeitung Fern vom Hang nach Aktualität

Evangelische Bibliothek in Oberlichtenau als einzige in Ostdeutschland durch gemeinnützigen Verein geführt

Von Andreas Kirschke

Kati Hohmann von der Oberlichtenauer evangelischen Bibliothek zeigt Georg eine der Tafeln, welche die Geschichte der Bibel dokumentieren.

Ein Blumenstrauß erfreut Freitagmorgen Kristina Wechler. Obendrein ein kleines Geschenk. „Ohne Kristina würde nichts gehen hier“, dankt Kati Hohmann, Leiterin der evangelischen Bücherei Buchkeller des Christlichen Vereins Oberlichtenau (CVOL), der ehrenamtlichen Kraft von Herzen. Diese sortiert, ordnet Bestände, katalogisiert im Computer, putzt, hilft bei jedem Anlass. Auch zum Tag der offenen Tür am Reformationstag, hat Kristina Wechler für jeden ein offenes Ohr.

Natürlich auch für die Kinder. Neugierig füllen die ersten von ihnen das Bibel-Quiz aus. Die Köpfe rauchen bei den fünf Fragen nach dem Buch der Bücher. Aufschluss gibt die gerade eröffnete Dauerausstellung „Von der Schriftrolle zum Mikrochip - Die Entstehung des Buches am Beispiel der Bibel“ im Buchkeller des Hauses. „Wir halten sie auf einfachem Level. Sie zeigt einige Schlaglichter“, erläutert Maik Förster, ehrenamtlicher Geschäftsführer des CVOL, und zeigt auf die Nachbildung des ältesten bisher gefundenen Alphabets. Bis 1 400 vor Christus reicht dessen Geschichte zurück. Die Ausstellung zeigt sie ebenso wie die Geschichte der Bibel sowie die Erfindung des Buchdrucks – 1440 durch Johann Gutenberg. Die Präsentation endet mit der ersten elektronischen Bibel 1998.

Wie entstand der Buchkeller? „Viele Büchereien müssen aus finanziellen Gründen schließen. Wir sagten uns: Wir eröffnen eine Bibliothek“, erzählt Kati Hohmann. „Gleichzeitig wollen wir christliche Literatur zugänglich machen.“ Der Buchkeller – nach unzähligen Stunden Eigenleistung und dank einer Förderung des Amtes für Ländliche Neuordnung vor drei Jahren eingeweiht – gilt als Ort der Diskussion. 2004 will der CVOL einen Gesprächskreis ins Leben rufen.

Junge Menschen für das Lesen begeistern

Eigenständig, ohne öffentliche Gelder, trägt sich die Bücherei. Wie geht das? „Indem der Verein seine ´Feriensiedlung Pulsnitztal an Schulklassen vermietet. Mit diesen Einnahmen kommen wir hin“, erklärt Förster. Der Buchkeller ist fester Tagesordnungspunkt für die Klassen. Mancher kommt hier zum ersten Mal überhaupt mit Büchern intensiver in Berührung. „Wir haben auch an der Aktion ,Ich schenk dir eine Geschichte´ der Stiftung Lesen teilgenommen“, verweist Falk Hohmann, Schatzmeister des Vereins, auf die Bemühungen, junge Leute für das Lesen zu begeistern. „Es ist wieder im Kommen“, spürt Kristina Wechler. Rund 130 Leser führt sie in der Kartei. Sie können über 6 000 Bücher, Videos und Kassetten nutzen. Etwa ein Sechstel davon ist evangelische Literatur. Bestände der früheren Gemeindebibliothek, der Handbücherei der Schule, der Bücherei des Kinderheims, auch private Buchspenden kamen der Bibliothek zugute. „Es gab auch etwas völlig Verrücktes“, entsinnt sich Maik Förster. Er erzählt von einer Hilfsaktion Berliner Büchereien. Mitte der 90er Jahre sammelten sie für Georgien. „Erst als sie die Keller voll hatten, kam die Erkenntnis, dass die Bücher ja gar keiner lesen kann“, schildert Förster, wie die Bestände in Oberlichtenau landeten. Eine andere Kuriosität: Erst kürzlich brachte ein Einwohner aus Ottendorf-Okrilla Sammelbände zu Olympia vorbei. „Er hatte sie in einem Papiercontainer gefunden“, erläutert Maik Förster. „Etwas Besseres konnte uns gar nicht passieren.“ Was ihm wie anderen immer wieder imponiert: Leser geben ihre Bücher für andere Leser ab. Zeitlose Literatur ist darunter. „Dass man eine Bibliothek nicht eröffnen kann ohne aktuelle Bücher, ist kein Argument“, will Kati Hohmann den Hang nach Aktualität nicht so stehenlassen.

Der Deutsche Verband Evangelischer Büchereien, dem die Oberlichtenauer angehören, spricht von einem beachtlichen Bestand an eigenen Büchern hier. Nur 17, vom Verband registrierte, evangelische Bibliotheken gibt es laut seiner Statistik in Ostdeutschland. Oberlichtenau ist die einzige Einrichtung, die ein eingetragener, gemeinnütziger Verein selbst trägt.

Was bereitet Sorgen? „Wir haben noch immer keine Straßenlampe vor dem Grundstück“, antwortet Förster. „Es ist doch ein öffentlicher Weg.“ Anfragen im Gemeinderat brachten bisher nichts. So bleibt es am Abend des Reformationstages vor dem Buchkeller stockfinster. Muss sich hier erst jemand die Knochen brechen?