Aktuelles
2020-01-04
Mitfahrbank (Wochenkurier 1. Ausgabe 2020)
Wenn der Bus nicht fährt – Mitfahrbänke sollen Dorfbewohner mobil machen
von Sebastian Schindler, Lokalreporter Wochenkurier
Die Mitfahrbänke vom Christlichen Verein Oberlichtenau sind innovativ, nett anzusehen – und können ganz leicht von jedem nachgebaut werden.
Wer regelmäßig von Pulsnitz kommend den Abzweig nach Friedersdorf nimmt, dem dürfte die blau-gelb angemalte Bank aus Europaletten schon aufgefallen sein, die seit einigen Wochen direkt hinter dem Bahnübergang an der Straße steht. Vielleicht hat der eine oder die andere sich auch schon gefragt, was das große „M“ an der Seite der Bank zu bedeuten hat. Nun, es handelt sich um die erste „Mitfahrbank“ im Kreis Bautzen. In Oberlichtenau steht eine zweite, baugleiche Bank. Das System ist simpel: Man setzt sich auf die Bank und signalisiert so, dass man ins nächste oder übernächste Dorf mitgenommen werden möchte. Aber funktioniert das? Um das herauszufinden, habe ich einen Selbstversuch unternommen. Ich fuhr also zum Pulsnitzer Bahnhof, setzte mich auf die Bank und streckte – in alter Tramper-Tradition – den Daumen raus. Mehrere ältere Damen, die vorbei kamen, wünschten mir im Vorbeigehen viel Erfolg. Sie fänden die Idee toll, seien aber skeptisch, ob das funktionieren könne. Aber es funktionierte: Nach etwa zehn Minuten hielt ein junges Paar aus Oberlichtenau. Auf dem Weg dorthin erzählten sie mir, dass sie die Idee toll fänden und gern einen Anfang machen wollten, dass es auch funktioniert. Besonders für die Älteren könne das eine wichtige Ergänzung zum Bus sein, der zum Beispiel am Wochenende überhaupt nicht mehr fährt. Denn in Oberlichtenau und Friedersdorf gebe es schon lange keine Möglichkeit mehr zum Einkaufen. Gleichzeitig äußerten sie jedoch Zweifel, ob gerade die älteren Menschen sich einfach so in ein fremdes Auto setzen würden.
Preisgekrönte Idee – umsetzbar für jedermann
Aufgestellt wurden die Bänke vom Christlichen Verein Oberlichtenau um Bibelgärtner Maik Förster. Mit der Idee gewann der Verein sogar einen Preis der Staatsregierung aus dem Sächsischen Mitmach-Fonds, der mit 5000 € dotiert war, woraufhin sich der Kreis Bautzen in Person der 2. Beigeordneten Birgit Weber bei Förster meldete und Unterstützung zusicherte.
Die Idee an sich ist nicht neu, seit einigen Jahren experimentieren deutschlandweit verschiedene Kommunen mit dem Konzept, mit unterschiedlichen Ergebnissen. Das besondere an der Oberlichtenauer Idee ist die Einfachheit der Konstruktion der Bänke. Die Vereinsmitglieder wollten eine Bank, die sehr günstig zu bauen ist und gleichzeitig schwer genug, um nicht gleich entwendet werden zu können. So kamen sie auf die zusammengesteckten Euro-Paletten. Die kann sich jeder günstig oder gar kostenlos irgendwo besorgen. Und genau darum soll es gehen. Nach dem Motto „Selbst ist der Einwohner“ kann jede und jeder sich ein paar Euro-Paletten besorgen, die Bauanleitung und das viereckige Schild in blau-gelb mit dem großen M zum Selbstkostenpreis (40 €) beim Christlichen Verein Oberlichtenau bestellen, und seine eigene Mitfahrbank zusammen zimmern. Geht es nach Förster und seinem Team, sollen im ganzen Landkreis Menschen auf eigene Initiative die Bänke bauen und auf privatem Grund oder – nach Absprache mit den Kommunen – auf öffentlichem Grund aufstellen. Das blau-gelbe Schild mit dem M wurde übrigens in Absprache mit dem Landkreis entworfen – es passt an jede herkömmliche Verkehrsschild-Stange und ist so gestaltet, dass keine Verwechslungsgefahr mit offiziellen Verkehrsschildern besteht und kann deshalb – wiederum in Absprache mit der Kommune – überall aufgehängt werden.
Gemeinsinn und Eigeninitiative
So ließe sich flächendeckend eine günstige Möglichkeit etablieren, von A nach B zu kommen, um einzukaufen, Freunde zu besuchen oder andere Erledigungen zu machen. Zusätzlich würde durch die bürgerschaftliche Initiative das Gemeinschaftsgefühl innerhalb der Orte gestärkt, und bei den gemeinsamen Autofahrten kämen Menschen miteinander ins Gespräch, die sonst vielleicht nicht viel miteinander zu tun haben. Und das ist immer etwas Gutes. Sicher, nicht jeder fühlt sich wohl dabei, in ein fremdes Auto zu steigen. Aber gerade auf den Strecken in die kleineren Dörfer im Landkreis wären es ja ohnehin oft Nachbarn und Bekannte, die einen mitnehmen würden. Das Risiko, auch mal nicht mitgenommen zu werden, ist freilich auch immer da. Für wichtige Termine sollte man sich also eine andere Möglichkeit suchen. Die Mitfahrbänke können den öffentlichen Personennahverkehr nicht ersetzen und sie dürfen nicht als Ausrede herhalten, damit sich Staat und Kommunen dort aus der Verantwortung ziehen können. Als praktische, konkrete und leicht von jedermann umzusetzende Idee können sie aber dazu beitragen, das Leben im ländlichen Raum ein wenig einfacher zu machen. Eine Mitfahrgelegenheit für den Rückweg von Oberlichtenau nach Pulsnitz hatte ich übrigens noch schneller – schon nach fünf Minuten hielt ein Auto.